ISMPS

INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR

DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES


MUSIK IN GLOBALEN PROZESSEN

Osttimor


kulturwissenschaftlich orientierte Musikstudien &

musikwissenschaftlich geleitete Kulturstudien

Kontexte

Südostasien | Sundainsel | Solor-Archipel | Australasien

e.V.
1968 - Brasilien
1985 - Deutschland



Vorsitz

Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo

Universität Köln


Osttimor gehört zu den Kontexten, die zu den Forschungsaufgaben des ISMPS zählen. Die Studien sind im Sinne der Zielsetzung des ISMPS, der Entwicklungen, die zu dessen Gründung 1985 geführt haben, und deren theoretischen Leitansätzen zu verstehen. Diese reichen zurück auf eine Bewegung zur Erneuerung der Kultur- und Musikstudien, die in Universitätskreisen Brasiliens in den 1960er Jahren entstand. Osttimor dient als Referential zur Betrachtung von Prozessen innerhalb eines Netzwerkes von Beziehungen, in das Osttimor eingeschrieben ist.


Gegenstand der Studien: Musik in Kulturprozessen


Aufgabe des ISMPS ist nicht primär die Untersuchung einer als timorensisch zu qualifizierenden Musik, sondern die Analyse von Prozessen unter besonderer Berücksichtigung der Musik. Die Aufmerksamkeit richtet sich somit auf  Entwicklungen, Verläufe und somit auf Wandlungen und Veränderungen, auf Vorgänge, die aus Besiedlungen, Besetzungen, Missionierungen, Migrationen, Vertreibungen hervorgegangen sind, auf politische und soziale Bewegungen und Erziehungsmaßnahmen sowie auf die Rezeption und die Auswirkungen internationaler Tendenzen und Impulse, die u.a. von den neuen Medien ausgehen.


Bedeutung von Solor und Timor für Studien globaler Kulturprozesse


Osttimor – mit den Exklaven Oe-Cusse Ambeno und den Inseln Atauro und Jaco – ist durch seine Lage, Geschichte und Gegenwart besonders für Studien von Kulturprozessen geeignet. Im Osten der Insel Timor gelegen grenzt es an die Provinz Nusa Tenggara Timur Indonesiens. Timor ist umgeben von indonesischen Inseln wie Alor, Wetar und Liran am Norden sowie nordöstlich weiteren Inseln der indonesischen Provinz Maluku. Südlich der Timorsee liegt Australien.


Die Zugehörigkeit von Osttimor zu der südostasiatischen Inselwelt in ihrer Vielfalt und deren Beziehungen zu China, Südostasien, Indien, zur arabischen Sphäre und Australien erfordert grenzüberschreitende Sicht- und Vorgehensweisen. Osttimor dient dementsprechend in den Arbeiten des ISMPS als Bezugspunkt zur kultur- und musikwissenschaftlichen Beschäftigung mit einer Weltregion, die sich durch komplexe Vielfalt auszeichnet. Von diesem Referential aus werden Studien durchgeführt, die Indonesien, Malaysien sowie Australien betreffen. Die Studien berücksichtigen auch insbesondere die Beziehungen zu Macau, mit dem Osttimor bis zur Errichtung einer eigenen Diözese kirchlich verbunden war. Die Missionare und die kirchlichen Autoritäten gehörten stets zu den hauptsächlichen Agenten und Trägern von Kulturprozessen.


Die Bevölkerung von Osttimor bietet vielfältige Möglichkeiten für ethnologischen Studien. Sie wurde von Einwanderungswellen bestimmt, von den Veddo-Austronesen, von Melanesiern und Malaien. Es werden in Osttimor 16 Ethnien gezählt, die in 12 größere Stämme gegliedert erscheinen, die u.a. malayo-polynesisch oder papua sprechen. Die Bevölkerung wird auch Maubere genannt, was auf die Bezeichnung der Gruppe der Mambai zurückgeht. Hinzu kamen Einwanderer wie Chinesen, Araber und eben auch Portugiesen, die das Land über Jahrhunderte prägten.


Die Portugiesen landeten 1515 auf Timor. Über die Jahrhunderte prägten sie neben den Niederländern die Entwicklungen auf der Insel. Erst 1916 wurden die Grenzen zwischen Portugiesisch-Timor und dem niederländischen Teil der Insel festgelegt. Nicht ganz geklärt sind die Grenzfragen von Naktuka (Citrana-Dreieck) und Fatu Sinai. Eine besondere Aufmerksamkeit verdient Flores, deren Name bis heute die portugiesische Vergangenheit bezeugt. Das östliche Kap der Insel wurde 1544 von einem portugiesischen Handelsschiff gesichtet und Kap der Blumen (Cabo de Flores) genannt. Diese Bezeichnung, die auf eine die Europäer beeindruckende Blumenpracht hinzudeuten scheint, stellt eine Besonderheit dar, da die Portugiesen sich bei ihren Benennungen im Allgemeinen von dem kirchlichen Kalender leiten ließen. Um 1570 ließen sich europäische Seefahrer und Kaufleute auf der Insel nieder.


In der ältesten Literatur wird Timor zusammen mit Solor erwähnt, was eine besondere Aufmerksamkeit bei den prozessorientierten Kulturstudien erfordert. Die Präsenz portugiesischer Händler auf Solor wurde durch die Errichtung einer Station im Ort Lamakera im Osten der Insel 1520 konsolidiert, die als Rast- und Umschlagsplatz für die Handelsfahrten zwischen den Molukken und Malakka diente, als ein sicherer Ort in einem von Piraten bedrohten Gebiet. Der Ort erlangte eine besondere Bedeutung für diese Verkehrsverbindung, was das schnelle Wachstum der portugiesischen bzw. christlich getauften Bevölkerung erklärt. Solor wurde zu einem Zentrum der Verbreitung des Christentums in der Inselwelt. Diese wurde vor allem durch die Dominikaner als Missionare geprägt, die nach eigener Ordenstradition besonderer Strenge bei der Erhaltung der Glaubensgrundsätze und der Lebensführung walten ließen. Sie errichteten 1562 ein Fort, das bereits 1563 von Muslimen aus Java zerstört wurde. Es wurde 1566 wiedererrichtet und mit Kanonen zu einer mächtigen Festung ausgebaut. Die Dominikaner entfalteten eine rege Missionstätigkeit und errichteten mehrere Kirchen. Seit 1575 wurde der Ort durch ein dort stationiertes Militärschiff gesichert. Die Oberherrschaft der Dominikaner wurde durch eine zunehmende Militärpräsenz ersetzt. Auf Anordnung von Goa wurde 1595 ein Kapitän ernannt.


Die Konflikte auf Solor hingen eng mit Entwicklungen zusammen, die für kulturwissenschaftliche Studien von Bedeutung sind, da sie vielfach auf die Methoden der Verchristlichung und die strengen Auffassungen der Dominikaner zurückzuführen sind. Sie führten dazu, dass die Händler Solor verließen und sich in Larantuka im Osten von Flores niederließen. Nach der Übernahme von Solor 1613 durch die Niederländer wurde Larantuka Zentrum des portugiesischen Handels. Es wurde zu einem Umschlagplatz für den Handel mit Sandelholz aus Timor. Die Nachkommen von Mischehen aus Solor und Flores (Topasse) in Larantuka bildeten einen Machtfaktor und ein staatsähnliches Gebilde in der Region.


Die Berücksichtigung dieser aus Verbindungen zwischen Europäern und einheimischen Frauen zurückzuführenden Familienverbände erlangt Bedeutung für Studien vergleichbarer Entwicklungen in anderen Teilen der Welt, die eine Diversität von Bevölkerungsgruppen gemischter Abstammungen aufweisen, die u.a. als Crioulos, Mestizen, Mulatten u.a. bezeichnet werden.

Bedeutung  von Solor und Timor für die Musikforschung


Die Bedeutung von Solor und Flores für die Musikforschung wurde bereits in den 1930er Jahren von dem Musikethnologen Jaap Kunst (1891-1960) erkannt, der auf die Vielfalt der Musik und des Musikinstrumentariums auf der Insel Flores hinwies. Dort kommen Zithern und Schlitztrommeln aus Bambus vor, wie sie auf anderen indonesischen Inseln zu finden sind; als ein eigentümliches Musikinstrument erscheint die Bassflöte, die indirekt geblasen wird. Im Osten der Insel findet sich die Streichlaute (Robeke) mit nur einer Saite, die als eine adaptierte Form der europäischen Rebec gilt. Zum Instrumentarium zählt auch das weit verbreitete Xylophon in seinen verschiedenen Ausführungen.


Auch die Gesangspraktiken und -repertoires sind reichhaltig und lassen Parallelen zu anderen Kontexten, aber offenbar auch Ergebnisse eigener Entwicklungen erkennen. Es finden sich Drei- und Vierstimmigkeit, Lieder und Tänze unterschiedlicher Herkunft für verschiedene Lebenssituationen und Ereignisse, z.B. für die Feldarbeit. Residuen von portugiesischen Liedern des 16. und 17. Jahrhunderts wurden in Küstenorten vorgefunden. Die Musikforschung darf sich nicht auf die Suche nach autochthonen und ethnischen Traditionen beschränken, sondern muss die Entwicklung beachten, die durch die Interaktionen seit der Ankunft der Europäer entfacht wurden und heute durch die Globalisierung vorherrschend werden. Das Musikleben der Siedlungen und Städte in seiner Diversität und seine Veränderungen durch die Rezeption verschiedener Impulse und Tendenzen auch und vor allem durch die Medien verdient dabei besondere Beachtung.


Aktualität der prozessorientierten Kultur- und Musikstudien


Osttimor stellt in der Gegenwart durch seine Sprache und Kultur eine Besonderheit in Südostasien dar. Es verdient unter vielen Aspekten eine viel höhere Beachtung des Westens als ihm bisher gewidmet wird. Über Jahrzehnte war Osttimor in der Weltöffentlichkeit durch die Konflikte bekannt, die nach der Unabhängigkeit am 28. November 1975 das ehmalige portugiesische Überseeterritorium erschütterten. Das Land, das gleich nach der Unabhängigkeit von Indonesien besetzt wurde, wurde erst 2002 mit Unterstützung einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen unter australischer Führung befreit und als unabhängiger Staat Timor-Leste international anerkannt.


Die Konflikte mit Indonesien waren nicht zuletzt durch sprachliche und kulturelle Eigenarten geprägt. Portugiesisch ist für Ost-Timor von identitätsprägender Bedeutung. Nicht umsonst wurde die portugiesische Sprache während der indonesischen Besatzung unterdrückt. Bei katholischen Gottesdiensten wurden zwar Verkündigung und Gesangstexte fortan auf Tetum gehalten, die Gesänge selbst behielten aber ihre westlichen Merkmale bei allen Bemühungen um kulturelle Anpassung. Die Musik spielte demnach eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Aufrechterhaltung einer spezifisch osttimorensischen Identität.


Portugiesisch ist eine der Amtssprache neben Tetum. Es gibt 15 weitere Nationalsprachen sowie Bahasa Indonesia und Englisch. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung besteht aus Nachkommen von Portugiesen und Timorensern, die sogenannten „Mestiços“. Die Aufmerksamkeit der Forschung darf sich demnach nicht auf die portugiesisch sprechenden Bevölkerungsteile beschränken. Die gegenwartsbezogenen Kultur- und Musikstudien setzen die Berücksichtigung von jahrhundertealten Entwicklungen auch unter demographischen Aspekten voraus, die bei weitem die Grenzen des heutigen Staates überschreiten. Osttimor dient auch diesbezüglich als ein Bezugspunkt zur Untersuchungen dieser komplexen Kontexte und Prozesse demographischer und demopsychologischer Art, die auf die Ankunft der Portugiesen zurückgehen.Vor allem Studien des Kulturlebens von Städten wie Dili, Baucau, Maliana, Lospalos und Same verlangen die Berücksichtigung von Prozessen, die durch die Ankunft der Portugiesen in Gang gesetzt wurden.


Entwicklung der Kultur- und Musikstudien, die Osttimor fokussieren


1975 wurde ein international zusammengesetzter Arbeitskreis mit Sitz in Deutschland mit der Aufgabe gebildet, anlässlich der Revolution in Portugal und der Unabhängigkeit ehemaliger portugiesischer Überseegebiete die Grundlagen für eine der neuen Situation angemessenen Kultur- und Musikforschung zu erarbeiten.


Der Bildung der Arbeitsgruppe gingen Vorarbeiten voraus. Eine internationale Zusammenarbeit wurde bei luso-brasilianischen Konferenzen in Brasilien und Portugal 1973/74 angeregt. Die Bestrebungen gingen aus einer Bewegung hervor, die eine Erneuerung der Kulturstudien der portugiesischsprachigen Länder anstrebte. Neue Sichtweisen erschienen angesichts von Unabhängigkeitsbestrebungen in Afrika und Asien sowie weltweiten Aufbruchs- und Protestbewegungen in den 1960er Jahren als notwendig. 1968 wurde diese Bewegung in Form einer Gesellschaft als Träger eines Forschungszentrums gegründet, das die Erforschung der Musik in Kulturprozessen sowie die Überprüfung theoretischer Ansätze in der Musikkulturforschung zum Gegenstand hatte. Die Aufmerksamkeit sollte auf Prozesshaftes, auf den sich in der Zeit vollziehenden Verlauf gerichtet werden, was Parallelen zur Musik erkennen ließ. Dies führte zur Entwicklung einer kulturwissenschaftlich ausgerichteten Musikforschung sowie einer musikologisch geleiteten Kulturwissenschaft.


Nach diesem Ansatz orientierten sich die Studien im Fach Ethnomusikologie der Fakultät für Musik und Kunsterziehung des Musikinstituts von São Paulo, das erstmalig in der portugiesischsprachigen Welt 1971/72 eingeführt wurde. Seit langem bestand in Musikkreisen Brasiliens ein Interesse an der Musik der indonesischen Inselwelt. Sie wurde in Musiklexika behandelt und in Konservatorien berücksichtigt. Dieses Interesse war vor allem musiktheoretisch und systematisch begründet. Studien der Vergleichenden Musikwissenschaft wurden gesichtet und besprochen, wobei die Rezeption französischsprachiger Forschung vorherrschend war. Die allgemeine Aufmerksamkeit für den südostasiatischen Raum, die durch den Vietnam-Krieg und die Konflikte in den ehemaligen portugiesischen Gebieten zunahm, leitete eine Wendung des Interesses auf die Musik dieses Teiles der Welt ein. Geistliche – vor allem Salesianer –, die in Osttimor wirkten, wurden zu den wichtigsten Informanten für die ethnomusikologischen Studien, die sich vornehmlich auf die neuen Entwicklungen und deren Voraussetzungen richteten. Diese Missionare, die von den nachkonziliaren Bestrebungen der Entwicklung einer kulturell geeigneten geistlichen Musik geprägt waren, hatten vielfach auch volkskundliche Studien auf Osttimor seit Anfang der 1960er Jahren durchgeführt.


1975 | Quellenstudien


Die  Überlegungen und Gespräche mit Geistlichen, die im südostasiatischen Raum wirkten, wurden nach Konferenzen in Brasilien und Portugal ab 1975 in Deutschland weitergeführt. Die Ansichten und die Problematik der konfliktreichen Entwicklung auf Timor konnten aus der Sicht von christlichen Indonesiern bei Gesprächen mit indonesischen Hochschullehrern diskutiert werden. Die Entwicklungen in Osttimor, die zur Unabhängigkeit und zu der Invasion von Indonesien führten, verlangten neue Fokussierungen der Forschung, was bei Besprechungen mit Waldemar Stöhr (1925-1999) am Institut für Völkerkunder der Universität Köln und am Rautenstrauch-Joest Museum Köln diskutiert wurde.


Die Erhebung und Untersuchung der historischen Quellen über Präsenz und Wirkung der Portugiesen in Südostasien und auf der malaiischen Inselwelt war für die Grundlegung einer für die neue Situation in der portugiesischsprachigen Welt geeigneten Kultur- und Musikforschung unerlässliche Voraussetzung.


Die Quellenforschung wurde von der Debatte über die faktische Historizität der Angaben in der Peregrinação von Fernão Mendes Pinto (ca. 1509-1583) begleitet. Hervorgehoben wurde die Notwendigkeit einer neuen Bewertung dieser wichtigen Quelle aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive, die auch die Sichtweise des Autors nicht negativ als a-historisch bewertet, sondern positiv im Sinne von Begegnungen und Interaktionen unterschiedlicher Welt- und Menschensichten, die es zu analysieren gilt. In diesem Sinne wurde die Erwähnung des Empfangs der Gesandten der Batak Sumatras in Malakka durch den Kapitän der Festung Pero de Faria besprochen. Ein anderer Schwerpunkt der Quellenstudien betraf die Chronik von Damião de Góis (1502-1574), die auch unter dem Aspekt einer kulturwissenschaftlich aufzufassenden Historiographie diskutiert wurde. Besondere Aufmerksamkeit galt der ersten Erwähnung von Musikinstrumenten aus Indonesien in einer europäischen Quelle: die Überreichung eines javanischen Gamelans an Afonso de Albuquerque (1453-1515)


1977 | Missionsgeschichte und empirische Kulturstudien


Die seit Jahren bestehende Zusammenarbeit zwischen Geistlichen aus Brasilien und Osttimor, die sich auch volkskundlich betätigten, bestimmte den Austausch von Informationen und die Studien. Zu diesen Experten gehörte allen voran Jorge Barros Duarte (1912-1995). Sein Buch Timor: Ritos e Mitos Ataúros, wurde zu einem Ausgangspunkt für Studien. Die Beziehungen zu den Forschern aus Macau wurden vor allem durch Aureo Castro (1917-1992) ermöglicht. Die Transkriptionen von Gesängen der mündlichen Überlieferung, die im Werk von Jorge Barros Duarte publiziert wurden, wurden durch den timorensischen Komponisten Simão Barreto, der auch in Macau wirkte, realisiert.


Indigenisierung bzw. Inkulturation der Kirchenmusik in Osttimor in Parallele zu afrikanischen und lateinamerikanischen Kontexten zählte zu den Themen, die die Überlegungen prägten. Fragen der Akkulturation und Ökumene wurden vielfach mit Andrew Dalgarno McCredie (1930-2006) aus Adelaide, Australien, besprochen.


Die Beziehungen zwischen Brasilien und Osttimor hinsichtlich der Theologie der Befreiung und der von ihr inspirierten pastoralen Musik in Osttimor wurden mit Theologen und brasilianischen Geistlichen diskutiert.


Durch den azorianischen Pe. Dr Armindo Borges bestand Kontakt u.a. zu dem ebenfalls von dem Azoren stammenden Dom Jaime Garcia Goulart (1908-1997), dem erster Bischof von Dili, der für die Fortführung der Studien maßgeblich wurde.


1989 | Christliche Traditionen und Synkretismus


Von Anbeginn der Studien zu Osttimor in Brasilien in den 1960er Jahren wurde die Zusammenarbeit mit Geistlichen, die in Osttimor wirkten, für die Vermittlung von Informationen und Erfahrungen maßgeblich. Die Beziehung zu den Salesianern, die in Osttimor Schulen unterhielten und sich für Sprache und Kultur der einheimischen Bevölkerung interessierten, blieb über die Jahrzehnte für die Entwicklung der Studien unentbehrlich.


Bei Studien und Besprechungen wurde dabei stets auf Auffassungen und Praktiken hingewiesen, die als synkretistisch angesehen werden. Diese Kultformen wurden beim Internationalen Symposium zu christlichen Traditionen und Synkretismus in Bonn und Köln 1998 berücksichtigt. Unter Teilnahme von Volkskundlern, Musikethnologen und Religionswissenschaftlern aus Brasilien und Portugal wurden Parallelen in verschiedenen Kontexten nach den Grundlagen und Mechanismen analysiert, die die Harmonisierung von Auffassungen erklären könnten. Dabei wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, Perspektiven und Studien über den Synkretismus neu zu orientieren. Fragen des Marianischen in der Bildersprache standen im Mittelpunkt der Betrachungen. Diese Studien erlangten besondere Bedeutung und Aktualität angesichts der Intensität der Verehrung von Unserer Frau von Fátima in Osttimor. Die Beziehungen von Mau Terus zu Jesus bei den Mambai und von Wehale zu Maria in Osttimor wurden ausgehend von Bezügen marianischer Vorstellungen und Traditionen zu Naturphänomenen diskutiert. In den Kultpraktiken wurde der Auswirkung der Geistigkeit der Ordensgemeinschaften, vor allem der Dominikaner, nachgespürt.


1996-1999 | Ost/West globaler Kultur- und Musikforschung


Osttimor wurde im Rahmen der Besprechungen berücksichtigt, die 1996 anlässlich der Übergabe von Hongkong und Macau an China durchgeführt wurden. Über Jahrhunderte wurde das Kulturleben des ehemals portugiesischen Timor von Macau maßgeblich bestimmt. Von hier aus wurden die Missionen, Schulen und das Kirchenleben in Timor mitverwaltet. Erst in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde Osttimor von der kirchlichen Jurisdiktion Macaus durch die Errichtung einer eigenen Diözese selbständig. Timorenser wurden im Seminar von Macau ausgebildet und brachten die dort gesammelten Erfahrungen mit zurück. Die nicht immer spannungsfreien historischen Bindungen der Kirche Macaus an Portugal in der Tradition des Patronats sowie die Beziehungen zu Rom bestimmten die Entwicklungen.


Die Kirchenmusik und das Musikleben des Seminars mit seinem Chor und seinen Instrumentalkapellen hatten Modellcharakter für Osttimor. Sie bestimmten die Praxis und das Repertoire der Kirchen in Dili und anderen Städten. Da das Seminar São José von Macau ein Zentrum der kirchenmusikalischen Restauration nach dem Motu proprio Pius’ X. (1903) wurde, wurde die Kirchenmusik in Osttimor über mehrere Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts durch die Ideale des Gregorianischen Chorals und der Vokalpolyphonie geprägt. Die Erforschung der Volksmusik wurde zunächst im Zeichen dieser Idealen in vorkonziliarer Zeit betrieben. Ein Zentrum dieser Bestrebungen wurde die 1909 errichtete Kathedrale von Dili. Für die kirchenmusikalische Restauration setzte sich u.a. D. Jaime Garcia Goulart ein. Seine Weihe als erster Bischof von Dili in Sydney wurde ebenfalls nach den Idealen des Motu proprio Pius’ X. gestaltet.


Das II. Vatikanische Konzil ließ Bestrebungen zur Erneuerung der Kirchenmusikpraxis durch die Förderung der aktiven Teilnahme der Gemeinden entstehen, was eine durchgreifende Änderung der kirchenmusikalischen Praxis mit sich brachte. Die Erfahrungen und die Musikproduktion anderer Länder portugiesischer Sprache dienten hierfür vielfach als Beispiele. Kirchengesänge, die vom luso-chinesischen Bischof von Macau komponiert bzw. arrangiert wurden, wurden auch in Osttimor gepflegt. Gesänge in chinesischer Sprache in Macau und Hongkong wurden von christlichen Chinesen in Osttimor vor ihrer Auswanderung nach Australien gesungen.



Studienzyklen

(Auswahl)


2009/2017 | Adelaide, Darwin/Australien


Timor liegt geographisch in relativer Nähe zu Australien, von ihm getrennt durch die Timorsee. In Australien fanden Persönlichkeiten und Migranten aus Timor Zuflucht, die vielfach von dort mit neuen Erfahrungen zurückkehrten und die Entwicklungen auf der Insel prägten. In Australien kam der erste Bischof des ehemaligen portugiesischen Timors in den 1930er Jahren in sein Amt, als die neue Diözese von Dili in Abtrennung von Macau errichtet wurde. Im Verlaufe von kriegerischen Handlungen und während der indonesischen Besatzung wanderten Osttimorenser und u.a. chinesische Migranten, die in Osttimor lebten, nach Australien aus.


Ausgangspunkt der Besprechungen waren die grundlegenden Studien von Margaret Jessica Esmeé King Boyes, die seit den 1960er Jahren Forschungen und Tonaufnahmen in Osttimor durchführte. 2018 wurde die Aufmerksamkeit vor allem auf die Stadt Darwin, Hauptstadt des Northern Territory in Australien, gerichtet. Die dortigen Museen – vor allem das Museum des Northern Territory und das Darwin Aviation Heritage Centre – sowie Gallerien besitzen bedeutende Materialien zu den Aborigenes, aber auch zu Osttimor. Sie sind für Studien von Kulturprozessen asiatisch-ozeanischer Kontexte bedeutsam.


Eine besondere Berücksichtigung wurde dem Verhältnis Kultur und Umwelt auf den Sonda-Insel und in Australasien gewidmet. Der Komplex Australis Orientalis, Wallacea und Amazonien stand im Mittelpunkt der Überlegungen. Die Gestalt von Alfred Russel Wallace (1823-1913), der in Brasilien und auf Timor wirkte, wurde auf der Grundlage von Studien, die in den Jahren zuvor in Brasilien durchgeführt wurden, betrachtet.


2018 | Picos/Azoren


Beziehungen zwischen der südostasiatischen und der atlantischen Inselwelt wurden seit den Vorbereitungen zur Gründung des ISMPS 1975 beachtet. Der Grund für diese Studien liegt in die Bedeutung der Tätigkeit von portugiesischen Geistlichen aus den Azoren für die Missionsgeschichte Timors. Die Missionsgeschichte früherer Jahrhunderte wurde durch die Wirkung von portugiesischen Ordensleuten von Indien und Macau aus geprägt. Dominikaner aus Goa wirkten als Missionare auf Solor und Timor. Dominikanische geistige Kultur und Methoden prägten die Christianisierung Timors. Sie förderten die marianische Verehrung und die Gebetspraxis des Rosenkranzes. Auf die Tradition des Kampfes gegen Häresien und Feinde des Glaubens des Dominikanerordens bezogen sich vielfach die Konflikte zwischen Christen und Mohammedanern sowie portugiesischen Katholiken und protestantischen Niederländern.


Die Tätigkeit von Geistlichen aus den Azoren in Timor erlangte vor allem im 19. und 20. Jahrhundert eine zwar wenig beachtete, aber nicht zu unterschätzende Bedeutung. Sie wurden wichtigste Vermittler der liturgisischen und kirchenmusikalischen Ideale der katholischen Restauration. Herausragende Gestalt des 19. Jahrhunderts war der Azorianer D. Manuel Bernardo de Souza Ennes (1814-1887), der Bischof von Pará/Brasilien sowie von Macau wurde, dem Osttimor unterstellt war.


Die Hauptgestalt des 20. Jahrhunderts war  D. J. Goulart (1908-1997) aus Candelária auf der Azoreninsel Picos, in den 1930er Jahren der erste Bischof der Diözese von Timor. 2018 wurde ein Studienzyklus auf den Azoren vom ISMPS durchgeführt, bei dem die kirchengeschichtlichen Beziehungen zwischen den Seminaren auf den Azoren, in Goa und Macau und dem Kulturleben in Osttimor betrachtet wurden.

Materialien


Problemas da lusofonia no Oriente e o canto em "papiá cristão"

Direitos Humanos, Estudos Culturais e História Diplomático-Cultural

Afonso de Albuquerque, "O Grande" (1453-1515) e a conquista de Malaca (1511)

Missions Étrangères e Padroado Português: problemas de jurisdição missionária e de inserção cultural

Ilhas de Sonda, Australásia & Brasil - Timor-Leste em foco

O complexo Australis/Orientalis, a Wallacea e a Amazônia em estudos de relações Cultura/Natureza

Timor-Leste/Austrália: o Manatuto em Darwin.

Bali na Etnomusicologia no Brasil e a Suíça

O Barong no contexto do Galungan em Bali

A música de Java e Bali em relações com estudos dos próprios conhecimentos

Aborigenes australianos e culturas musicais tradicionais de Timor-Leste

Timor-Leste nos estudos músico-culturais

Austrália e Brasil na discussão teórica no estudo de processos culturais

Os Dominicanos de Goa nos primeiros séculos do Cristianismo de Solor e Timor

De Macau a Timor-Leste: caminhos da Restauração no século XIX

Os Açores em processos eclesiásticos globais dos séculos XIX e XX